Lang, lang ist’s her
Wir Rogges, die Winzerin – geboren im Böhmischen und aufgewachsen im Mittelsächsischen – und der Winzer – dieser geboren und aufgewachsen in einem Dorf im Eichsfeld – sowie die nachfolgende Generation leben schon fast 5 Jahrzehnte in Dresden und mit immer noch zunehmender barocker Freude.
Von diesen Jahren sind fast drei Jahrzehnte mit dem Pillnitzer Weinberg und dem Pillnitzer Wein vom Anschnitt der Stöcke im Frühjahr bis zum letzten Tropfen der letzten Flasche des jeweiligen Jahrgangs verbunden. Auch wenn die Kräfte nicht mehr „mehr“ werden, der Freude an der Sache tut das keinen Abbruch.
Der eigentliche Anfang
Anfang 1983 gab es eine Zeitungsnotiz, die auf die Vergabe von Parzellen am Pillnitzer Hang hinwies. Da brauchten wir nicht lange zu überlegen. Der Beginn unserer Freizeitwinzerei war also die Vergabe der etwa 700 qm großen Parzelle oben unterhalb des Pillnitzer Leitenweges an uns.
Was für ein Ort
Uns war und ist bewusst, den Weinbau betreiben wir an einem ganz besonderen Ort, dem Pillnitzer Königlichen Weinberg. Da erfahren Winzerin und Winzer quasi ein doppeltes Vergnügen sowohl an der Pflege der Stöcke als auch an dem Erhalt des außergewöhnlichen Weinberges.
Mit und neben anderen, Gemeinschaftliches und Genossenschaftliches
Wir beide sind Mitglieder der Weinbaugemeinschaft “Weinberg Pillnitz” e.V., ein Zusammenschluss von etwa 70 Freizeitwinzern hier. Die Alten und die Jungen verstehen sich sehr gut. Dazu tragen nicht zuletzt unsere Weinblütenfeste bei.
Parallel zu der Mitgliedschaft in der Weinbaugemeinschaft sind wir beide jeweils Mitglied der Winzergenossenschaft Meißen und mit dieser auch sehr, sehr zufrieden. Auf der Grundlage guter Trauben sind die Weine der Winzergenossenschaft einfach etwas Besonderes, oder – wie diese sagt – eine Rarität. Das Zusammenspiel funktioniert: Wir produzieren gute Trauben und diese gute Weine. Insofern sind wir Verfechter dieser Genossenschaft.
Aller Anfang ist schwer
Die erste Ernte weniger alter Stöcke, in Kilogramm abzählbar an unserer beider Hände Finger, wurde 1983 gelesen. Die ersten Jahre waren ansonsten vom „Urbarmachen“ des verwilderten Hanges und der Pflege der Junganlage bestimmt.
Ein wenn auch singuläres Ereignis war die Wiedererrichtung einer 1987 auf 10 m Breite eingestürzten und 3,50 m hohen Mauer. Das leisteten ohne Trockenbaufirma der Winzer mit Sohn unter fachlicher und tatkräftigster Unterstützung des Parzellennachbarn.
Die Revolutionsernte 1989 belief sich auf etwas mehr als 620 kg. Von diesem Jahrgang liegen noch 3 Flaschen – mit Kronkorken verschlossen – im Keller, unverkäuflich und unabhängig davon wohl nicht mehr im Zenit ihrer Jahre.
Nun natürlich etabliert
Die Durchschnittsernte der Jahre bis 1997 belief sich durchschnittlich auf nur gut 400 kg, was einer Quote von ca. 0,6 kg je qm entsprach. Die Menge war also relativ gering, dafür waren die Qualitätswerte immer an vorderster Stelle in der Weinbaugemeinschaft und der Genossenschaft. Das war nicht darin begründet, dass wir so viel besser als die anderen gewinzert hätten sondern war dem speziellen Terroir unserer Parzelle geschuldet, was wir allerdings offenbar zu nutzen wussten.
Nach der Übernahme einer weiteren Parzelle – insgesamt bewirtschaften wir jetzt etwa 1 400 qm mit etwa 800 Stöcken – entsprechen wir im langjährigen Jahresmittel mit einer Quote von 0,8 kg je qm weiter dem Prinzip „weniger Menge, dafür mehr Qualität“. Entsprechend liegen die Zuckerwerte unserer noch ziemlich jungen Rieslingstöcke um etwa 5 Oechsle, die der altbewährten Traminer- und Weißburgunderstöcke um etwa 15 bzw. 10 Oechsle über dem Mittel der Ernten der anderen Winzer der Winzergenossenschaft. Und so soll es bleiben.
Wein genießen nach der Art von Hermann Hesse
Wer will, kann sich von unserem „genossenschaftlichen“ Wein und dem Ausblick einfangen lassen. Nach Herrmann Hesse schmeckt Wein dort am besten, wo er gewachsen ist. Wenn dann noch dieser Ort inmitten der Reben einen der „schönsten Ausblicke ganz Deutschlands“ bietet, dann schmeckt der Wein umso mehr.
Epilog und Prolog zugleich
Über drei Jahrzehnte haben die Winzer Sigrid und Walter Rogge gleich anderen ein Stück des Pillnitzer Königlichen Weinberges gehegt und gepflegt. Sie haben Trauben erzeugt, deren Saft in der Winzergenossenschaft Meissen zu Wein wurde. In einer Zeit als der Absatz des Meissner Genossenschaftsweines rückläufig war, das war noch im vorigen Jahrtausend, wenn auch an dessen Ende, haben sie entgegen dem Trend begonnen, an diesem Ort diesen Wein auszuschenken. Er galt denen, die auf diesen neugierig waren, dieses Stück Landschaft genießen und mit ihresgleichen beim Wein plaudern wollten. Wir gehörten dazu, dass der Wein aus dem Elbtal inzwischen allen zu einem Begriff wurde. In dieser Zeit sind uns auf unserer Terrasse Weinfreunde zugewachsen, die dieses Stück Erde lieben und es sich mit jedem Weinschluck immer wieder bestätigen.
Unserere Weinbaugemeinschaft am Pillnitzer Königlichen Weinberg hat sich das Satzungsziel gegeben, an kulturellen und touristischen Veranstaltungen in Pillnitz und innerhalb des Weinbauverbandes Sachsen, besonders bezüglich der „Sächsischen Weinstraße” teilzunehmen und diese zu unterstützen. Dem haben wir mit unserem Ausschank Rechung getragen. In dem Flyer des Weinbauverbandes Sachsen zu den Tagen des offenen Weingutes in Sachsen 2014 heißt es: Auch Kleinerwerbswinzer melden zunehmend ihr Interesse an, um auf neue Straußwirtschaften – Ausschankorte mitten in den Weinbergen – aufmerksam zu machen. Dieser Bereicherung wollen wir uns nicht verschließen … . An dieser Entwicklung waren wir mit unserer Straußwirtschaft als kulturelle und touristische Veranstaltung beteiligt. Mit einem Winzerkollegen gemeinsam präsentierten wir unsere Weine mit Jazz und Lied.
Unsere Kinder werden dies alles fortführen und dabei aber auch selber Akzente setzen. Der Ausschank Rogge wird als Weinprobierpunkt der Pillnitzer Königlichen Weine beworben und sich auch also solcher zeigen. Gleichzeitig soll die schon immer angestrebte Einheit von Wein – Landschaft – Kultur ausgeprägter sichtbar und hörbar werden. So wie Wein und Jazz oder Wein und Lied gemeinschaftlich mit einem weiteren Pillnitzer Winzerkollegen bereits betrieben wird, so sollte die Partnerschaft mit anderen Winzern auch auf weitere Felder ausgedehnt werden. Dazu sind Partner ausdrücklich willkommen. Wir rufen auf, dies gemeinsam mit uns anzugehen. Der Vorstand unserer Weinbaugemeinschaft hat in einem Rundschreiben diesen Jahres auch genau dazu aufgerufen.
Alles hat seine Zeit im Leben. Das wissen wir Älteren recht gut. Weil das so ist, so ist die Verantwortung für alles, was auf der Weinbergparzelle bisher so ablief, von den Winzern Sigrid und Walter Rogge auf ihren Sohn Norbert mit seiner Frau übergegangen. Wir sind nicht die einzigen der Alten aus den 80ziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, die ihre Tätigkeit über kurz oder lang beenden werden. Das ist nun einmal der Lauf der Dinge.
Sigrid und Walter Rogge sind nun Altwinzer. Das Schöne daran ist aber, dass von unseren Kindern unsere Mithilfe gern gesehen und in Anspruch genommen wird. Zurzeit ist es noch so, dass wir zeitlich mehr draußen sind als sie. Der Tag ist aber in Reichweite, an dem sich dieses Verhältnis umkehren wird.
Es bleibt die Erinnerung, wie ein verwilderter Weinberg – mit einem guten halben Hundert anderer – Stück für Stück quasi urbar gemacht und aufgerebt wurde. Wir können ermessen, mit welchem Aufwand dieser denkmalgeschützte Weinberg sich heute unseren Weinfreunden als Kulisse für das Pillnitzer Schloss präsentiert. Es bleiben einem natürlich diese Pillnitzer Königlichen Weine rund um die Uhr. Und mit Jean Paul, vom dem stammt:
Der Wein wirkt stärkend auf den Geisteszustand, den er vorfindet.
Er macht die Dummen dümmer und die Klugen klüger.
bleibt uns die Hoffnung, nicht zu den immer dümmer Werdenden zu gehören.