Eine Woche nach dem 24. Februar

In Faust II singt in tiefster Nacht Lynkeus, der scharfäugige Türmer, sein Lied.

Quelle:  Goethes Kurbäder, S. 15, Vortrag von Prof. Dr. C. Vanja , 2007

Zum Sehen geboren,
Zum Schauen bestellt,
Dem Turme geschworen,
Gefällt mir die Welt.

Ich blick‘ in die Ferne,
Ich seh‘ in der Näh‘
Den Mond und die Sterne,
Den Wald und das Reh.

So seh‘ ich in allen
Die ewige Zier,
Und wie mir’s gefallen,
Gefall‘ ich auch mir.

Ihr glücklichen Augen,
Was je ihr gesehn,
Es sei, wie es wolle,
Es war doch so schön!

Unmittelbar nachdem Lynkeus das Lied gesungen hat wird er Zeuge, wie Mephisto und seine Bande – wegen der Begehrlichkeiten von  Faust um des Landes willen –  Hütte und Kapelle zweier Alter niederbrennen. Dabei kommen die beiden Alten mit einem aufgenommenen Wanderer um.

Wie viele Generationen von Faust-Lesern fragten sich, warum hat Lynkeus die anrückenden Horden des Mephisto nicht nur nicht eher gesehen sondern seinerseits nach Schutz der Hütte samt Bewohnern geschrien. Wenn er so scharfäugig war, dann musste er diese anrückende Bande doch gesehen haben. Warum hat er aber nicht? Oder wollte er diese gar nicht sehen, obwohl er sah? Die Frage bleibt bei Goethe unbeantwortet, vielleicht wissend, so ist halt der Mensch.

In der FAZ vom 20.02.2023 ist ein Artikel mit „Wir wollten es nicht sehen“ überschrieben und setzt sich mit den Defiziten der CDU-Russlandpolitik auseinander. Die Überschrift nutzt ein  Zitat von W. Schäuble vom November 2022.

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